SPD im Dialog mit Expert:innen zur Armut in der Coronapandemie

Nach dem fachlichen Austausch zur Situation in der Pflege vor einigen Wochen haben SPD-Bundestagskandidat Tim Klüssendorf und Michael Tietz, Mitglied des SPD-Kreisvorstands zu einem weiteren Fachgespräch geladen. Diesmal ging es um Armutsfragen in der Coronapandemie.

Die SPD diskutierte in einer hybriden Veranstaltung dazu mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Björn Böhning, der Leiterin der Lübecker Caritas, Dorothee Martini, der Geschäftsführung der Rechtsfürsorge Lübeck, Heike Wiehle, der stellv. Geschäftsführerin des Frauennetzwerkes SH, Stefanie Kohlmorgen sowie Jörg Steinkämper, Schuldnerberater der Resohilfe Lübeck. Die Teilnehmenden in Präsenz hatten die Möglichkeit vor Beginn der Veranstaltung, vor Ort einen Schnelltest durchzuführen, um Infektionen auszuschließen.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen zunächst die bisherigen Hilfepakete der Bundesregierung in der Pandemie vom Kurzarbeitergeld über den Schutzschirm für Ausbildungsplätze, den erleichterte Zugang zur Grundsicherung bis hin zum Kinderbonus, welche von Staatssekretär Böhning noch einmal vorgestellt wurden. In der anschließenden Diskussion wurde jedoch deutlich, dass die vielfältigen Maßnahmen nicht alle Menschen, die durch die Pandemie von Armut betroffen oder bedroht sind, erreichen.

Einig waren sich die Diskutierenden darin, dass besonders Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund durch die Pandemie in armutsgefährdende Situation geraten. Denn Beschäftigungsverhältnisse auf geringfügiger Basis oder saisonale Beschäftigungen sind in der aktuellen Situation wesentlich stärker betroffen und führen zu erheblichen Einkommensverlusten. Es ist eine Rückkehr in traditionelle Rollenstrukturen zu erkennen und Frauen erledigen zusätzliche und unbezahlte Care-Arbeit im familiären Umfeld. Auch für Familien, die über geringe materielle Ressourcen verfügen, führt die Kombination aus Kurzarbeit und Home-Schooling zu extremen finanziellen und familiären Herausforderungen. Die bislang rudimentäre Digitalisierung des Landes mit zu langsamen Internetanschlüssen und unzureichender Implementierung digitaler Unterrichtsformen verstärken die Probleme an dieser Stelle und festigen die ungerechte Chancenverteilung in der Bildung.

Auch die durch die Pandemie ausgelöste, erschwerte Erreichbarkeit von Ansprechpersonen in offiziellen Stellen und der fehlende Kontakt mit den Kund:innen in Präsenz erzeugt zusätzliche Probleme. Die Beratungsarbeit und ihre Kundengruppen haben sich stark verändert.

Zudem muss auf die Situation von Gefangenen während und nach der Haft sowie auf die verstärkten Probleme von obdachlosen Menschen aufmerksam gemacht werden. Sie und ihre besonderen Herausforderungen dürfen in den gesellschaftlichen Diskussionen nicht vergessen werden. In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, dass es bezüglich der Förderung von Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen Förderprogramme bedarf, welche es Institutionen ermöglichen, entsprechend günstigen Wohnraum zu schaffen und Housing First Konzepte voranzutreiben.

Konkret gefordert wurden weiterhin bessere und barrierefreie Beratungsangebote für Menschen in finanziellen Schwierigkeiten und die Institutionalisierung eines Beratungsangebots für (ehemals) Selbstständige sowie die Digitalisierung der Beratungsstellen. Mittelfristiges Ziel ist ein Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung für alle Menschen. Hilfe- und Unterstützungsleistungen des Bundes sollen darüber hinaus deutlich zügiger und unbürokratischer gewährleistet werden. Durch einfach Maßnahmen wie z.B. der Ermöglichung der Angabe der Coronaprämie auf einer Pfändungsschutzbescheinigung kann Menschen schnell geholfen werden. Außerdem müssen die bereits gültigen Vorschriften und Maßgaben konsequenter von den staatlichen Stellen wie z.B. dem Jobcenter umgesetzt werden.

Michael Tietz und Tim Klüssendorf nahmen die vielzähligen konkreten Hinweise der Expert:innen aus der Praxis auf und werden diese an den jeweiligen verantwortlichen Stellen zur Diskussion bringen. Sie unterstrichen die Forderungen der SPD nach einer Kindergrundsicherung, der Abkehr von Hartz IV mit der Einführung des Bürgergeldes, der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes sowie der Stärkung des Kündigungsschutzes und dem bedarfsgerechten Ausbau von bezahlbarem Wohnraum.

Kurzfristig sollte angesichts der Coronapandemie insbesondere der Kündigungsschutz bei Minijobs und Teilzeitstellen sowie der Arbeitsschutz im häuslichen Umfeld während des Home-Office verbessert werden. Diese Maßnahmen sind vor allem für besonders stark betroffene Frauen dringend notwendig.

Staatssekretär Björn Böhning hat darüber hinaus zugesichert, die Anregungen und Hinweise aus der praktischen Arbeit mit ins Ministerium für Arbeit und Soziales zur Nachbesserung zu geben und zeigte sich dankbar für die konstruktive und erkenntnisreiche Diskussion.